Psychisch stark durch die Pandemie
Sorgen, Ängste, depressive Symptome - Kinder und Jugendliche leiden unter der Pandemie und zeigen deutlich mehr psychische Auffälligkeiten. Im Interview erzählt Dr. Rainer Huppert, Oberarzt kbo-Heckscher-Klinikum Rottmannshöhe, was man tun kann um die psychische Gesundheit der Mädchen und Jungen zu stärken.
Projekt Steckbrief
Projektdurchführung | kbo-Heckscher-Klinikum gGmbH Deisenhofener Str. 28 |
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Aktionsjahr | 2021 |
Ort | Oberbayern, Berg |
Fördersumme | 157.700,00 € |
Die Abteilung Rottmannshöhe des kbo-Heckscher-Klinikums liegt in Berg am Starnberger See. Hier werden Jugendliche mit psychiatrischen Erkrankungen und Essstörungen im Altersspektrum von 14-18 Jahren behandelt. Der über 35 Jahre alte und mittlerweile marode Sportplatz, der ein wichtiger Ort für die Bewegungs- und Sporttherapie ist, soll nun mit Hilfe von Sternstunden neu gestaltet werden. Gerade in der Bewegungs- und Sporttherapie sammeln Kinder und Jugendliche positive Erfahrungen mit dem eigenen Körper, sie lernen, durch Bewegung, Spiel und Sport ihre Gefühle zu regulieren und sozial miteinander umzugehen. Der geplante Allwetterplatz soll den Mädchen und Jungen bei jedem Wetter die Möglichkeit bieten sich zu bewegen. Es kann unter anderem Volleyball, Basketball, Handball und Tennis gespielt werden.
Während der Corona-Pandemie hat sich die psychische Gesundheit von vielen Kindern und Jugendlichen verschlechtert, durch den Wegfall von sozialen Kontakten, Sportmöglichkeiten und Alltagsstrukturen, Kinder- und Jugendpsychiatrien verzeichnen einen starken Anstieg an Patientinnen und Patienten. Wie kann den Mädchen und Jungen geholfen werden, wir haben nachgefragt.
Dr. Rainer Huppert, Oberarzt kbo-Heckscher-Klinikum Rottmanshöhe, im Interview:
Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind randvoll, die Wartelisten für Therapieplätze lang. Wie können sich Familien helfen, die keinen Platz in naher Zukunft in Aussicht haben?
Nicht alle psychischen Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen bedürfen einer ambulanten und/oder stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung. Auch niederschwelligere sozialpädagogische, erzieherische und andere beratende Hilfen können unterstützend wirken und hilfreich sein. Eine gewisse Rückbesinnung auf Möglichkeiten individueller bzw. familiärer Selbstwirksamkeit, Förderung von Unterstützungsmaßnahmen für Eltern und Erziehungspersonen, die Kindern in einer derartig langstreckigen problematischen Situation Struktur, Orientierung, emotionale Sicherheit vermitteln können, haben große Bedeutung. Mit der Stärkung und Stützung des sozialen Netzwerks kann also auch unbedingt Positives für die Kinder getan werden.
Facts zu Long-Covid bei Kindern
Nach den vorliegenden Studien sind die sogenannten Long-Covid-Verläufe bei Kindern eher selten. In seltenen Ausnahmefällen tritt ein multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS-C) als entzündliche Spätreaktion auf die Infektion auf. Als Langzeitsymptome wurden bei Kindern Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit beschrieben. Generell wird von einem Long-Covid-Syndrom gesprochen, wenn nach drei Monaten noch Symptome der Grunderkrankung vorhanden sind. Neben den unspezifischen genannten Störungen wurde auch Kurzatmigkeit bzw. ein Geruchsverlust für dieses Zeitintervall beschrieben. Letztlich ist die Diagnose bei Kindern und Jugendlichen zumindest umstritten.
Was kann man insgesamt tun, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken?
Die Auswirkungen der Sondersituation Pandemie hat zumindest auch gezeigt, wie wichtig neben einem adäquaten emotionalen Umgang in der Familie, der Lebensgemeinschaft und Schule verbindliche Strukturvorgaben für den Alltag sind. Hier haben sich neben institutionellen Systemen wie Schule, Vereinen auch informelle soziale Plattformen wie außerfamiläre Freundschaften und gemeinsame Freizeitgestaltungsformen als sehr wichtig erwiesen. Auch in Zeiten hohen psychosozialen Stresses, dem alle ausgesetzt sind, ist es für gesunde psychische Entwicklung bedeutsam, Kindern und Jugendlichen Gewalterfahrungen in jeder Hinsicht zu ersparen, Substanzkonsum nicht zu bagatellisieren, auf einen adäquaten Umgang mit Medien zu achten, und jene Bewältigungsfertigkeiten zu stärken, die Kinder und Jugendliche bereit machen, mit den Fährnissen und Zumutungen, den Risiken und Unwägbarkeiten, die zu den allgemeinen Lebenserfahrungen gehören, möglichst gut fertig zu werden. Hierzu zählen altersgemäße Begleitung des Entwicklungs- und Verselbständigungsprozesses, Unterstützung der Beziehungsgestaltung und der sozialen Orientierung, Förderung von sozialer Kompetenz und adäquater Integration in die Gleichaltrigengruppe sowie Förderung des Selbstgefühls.
Welche Wirkung hat die Hilfe von Sternstunden?
Für unsere Klinik haben die finanziellen Unterstützungen von Sternstunden eine Verbesserung und Verbreiterung vieler therapeutischer Angebote möglich gemacht. Gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wird neben dem Gespräch viel mit kreativen Medien, Musik, Kunst, aber auch Sport gearbeitet, gemäß der klinischen Erfahrung, dass Kinder und Jugendliche das Tun mit Material, Bewegung, als besonders hilfreich und unterstützend in der Begegnung mit sich selbst und anderen erfahren.