Programmtipp: Dokumentation zu 30 Jahre Sternstunden
Am Montag, den 27. November, strahlte der BR um 21 Uhr eine 45-minütige Dokumentation anlässlich des Sternstunden-Jubiläums aus. Sie wird am 3. Dezember um 13:15 Uhr wiederholt und ist auch in der Mediathek zu sehen.
Hier geht es zur Dokumentation in der Mediathek.
Sternstunden erreicht den Autor Leonhard Steinbichler zum Interview genau zehn Tage vor der Ausstrahlung; gleich wird seine Doku abgenommen und er ist gespannt, ob er den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Im Interview mit Sternstunden schildert Leonhard Steinbichler sehr persönliche Eindrücke und erzählt, was die Begegnungen mit Sternstunden-Helden in ihm ausgelöst haben.
Welches Bild hatten Sie vorher von Sternstunden und was hat sich durch Ihre Recherchen und Begegnungen verändert?
Vorher hatte ich lediglich einen kleinen Einblick gehabt, eher wie eine Nische, als ich viele Spendenaktionen mitbekommen hatte. Was sich durch die Dokumentation verändert hat: Nun habe ich die unglaubliche Tiefe gesehen, welche die Projekte haben, auch in welche Breite sie gehen. Die 30 Jahre sind für mich wie ein dickes Buch, man hält den Daumen drauf und schaut sich ein Projekt an.
Ich habe realisiert, wie präsent Sternstunden ist und es schon immer war. Es gibt so viele Bereiche, wo man dies überhaupt nicht denkt. Manches funktioniert nur, weil Sternstunden hilft – Prävention von Gewalt, eine heilpädagogische Tagesstätte – so etwas läuft nur, weil Sternstunden finanzielle Mittel bereitstellt. Das habe ich gelernt und es hat mich erstaunt. Durch Steuern, die wir dem Staat zahlen, regelt sich eben nicht alles. Von allen Mitgliedern der Gesellschaft ist also Engagement gefordert – ehrenamtlich und finanziell. Da packt man sich an der eigenen Nase und fragt sich „Was mache ich eigentlich aus?“ Man stellt den eigenen Beitrag auf den Prüfstand und hinterfragt die eigene Position im System. Die Bandbreite des Engagements ist groß – Frau Hanne* widmet den Kindern ihr ganzes Leben, andere fahren ehrenamtlich zu den Spielen des FC Sternstunden durch ganz Bayern. Man muss für sich selbst hier eine Position finden. Durch die Doku wurde ich aufgerüttelt, meine eigene Position einzuschätzen und zu überdenken.
Gibt es etwas, was Sie überrascht hat? Sind Ihre Erwartungen auch einmal enttäuscht worden?
Enttäuschung auf keinen Fall. Überrascht war ich über die Bandbreite der Projekte, die gefördert wurden und über die Summen, die bereitgestellt werden. Als Laie denkt man „Was kann das kosten?“ Dass die barrierefreie Appartementanlage der Jura-Wohnstätten e.V. in Amberg mit einer halben Million gefördert wurde, diese Summe hat mich überrascht. Ohne das Engagement von Sternstunden wäre das nicht zustande gekommen. Man kann also nicht immer nach dem Staat rufen, sondern mehr Eigeninitiative ist gefragt - ähnlich wie in England und den USA. Hier hat Deutschland einen großen Nachholbedarf.
Welche Person, mit der Sie gesprochen haben, hat Sie besonders inspiriert und warum?
Mit Atemreich* habe ich mich viel beschäftigt, mit der Gründerin Frau Hanne. Sie hat mich schwer beeindruckt, weil sie eine unfassbar inspirierende Person ist. Normalerweise ist es schwer, so eine Situation durch die Kamera zu übertragen, aber bei Frau Hanne überhaupt nicht. Sie ist ein sehr empathischer Mensch und das überträgt sich durch die Kamera. Man merkt das auch am Team, sie waren ganz ergriffen und dankbar. Und beim Schnitt merkt man es auch: Die Editorin war hin und weg. Das Leuchten spricht aus ihren Worten.
Welche Spendenaktion ist Ihnen noch besonders im Gedächtnis und warum?
Im November 2020 sammelten Schülerinnen und Schülern der Realschule Freyung** während der Corona-Pandemie Spenden. Es war einfach so super, was sich die Jugendlichen für Aktionen in ihrer Freizeit ausgedacht haben, um Spenden zu generieren. Eine Junge hat den Hof der Eltern von Laub befreit, zwei Mädchen haben Kuchen gebacken und sind mit einem Leiterwagen durchs Dorf gefahren und haben die Stücke gegen eine Spende abgegeben. Das waren kleine, einzelne Aktionen, aber die Teenager haben gesagt „Da mache ich mit“. Sie hatten Ideen zum Spendensammeln, obwohl man zu dem Zeitpunkt mit anderen Menschen nicht richtig in Kontakt treten konnte. Ich war richtig begeistert.
Welcher Dreh war besonders herausfordernd?
Als wir nach Rostock fuhren, um mit Frau Hanne Eila*** zu besuchen, die nun dort lebt und früher im Kinderhaus AtemReich zuhause war, habe ich mir Gedanken gemacht „Wie wird das sein, wenn sie sich wiedertreffen? Wie machen wir das?“ Frau Hanne und Eila hatten damals eine sehr enge Beziehung , denn Eila hat fünf Jahre im Kinderhaus AtemReich gelebt, sie hatten so einen Bond. Es war dann total nett, Eila ist ein Teenie, sie war auf ihre Art und Weise herzlich. Der Dreh in Rostock war sehr emotional.
Was wünschen Sie Sternstunden für die Zukunft?
Ich bin unfassbar beeindruckt von dem, was Sternstunden leistet. Ich sehe Sternstunden wie Thomas Jansing als Impulsgeber, als Seismosgraf. Das kann ich total befürworten, weil es wichtig ist. Unsere Gesellschaft ist – auch wegen und seit Corona – in Grüppchen zerfallen. Und so eine wahnsinnig gute Kraft wie Sternstunden tut der Gesellschaft richtig gut. Ich bin oft in England, und wie dort Charity gehandhabt wird, so müsste es auch in Deutschland gehen. Wenn Sternstunden hier der Vorreiter ist, kann ich das nur unterstützen.
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*2005 wurde AtemReich ins Leben gerufen - für beatmete oder von Beatmung bedrohte Kinder, die aufgrund ihrer Erkrankung eine Intensivbetreuung benötigen. Das Kinderhaus bietet den Mädchen und Jungen ein liebevolles und gemütliches Zuhause als Alternative zur Intensivstation. Sternstunden unterstützte den Aufbau der Einrichtung mit mehr als 1 Million Euro sowie den Erweiterungsbau mit weiteren rund 750.000 Euro.
**Die Schüler konnten sich im November 2020 sozial engagieren, z.B. der Oma beim Plätzchen backen helfen, für einen älteren Nachbarn einkaufen gehen, der Mutter beim Schnee schippen helfen, usw. Dafür bekamen die Schüler einen „Lohn“, den sie spendeten. Jeder konnte so viel Arbeiten verrichten, wie er wollte. Jeder durfte so viel spenden, wie er wollte. Es kamen 4.222,22 Euro zusammen.
***Die 16-jährige Eila konnte als Kleinkind nicht ohne Hilfe atmen. Mittlerweile führt sie aber dank der Hilfe des von Sternstunden geförderten Kinderhauses AtemReich ein selbstständiges Leben.
Meldung erstellt am: 28. November 2023