„Sternstunden ist eine richtige Bewegung, nicht nur eine Aktion“
Christoph Deumling war seit der Gründung 1993 bei Sternstunden dabei. Im Interview spricht er über die Anfänge, seine Wünsche zum 30-jährigen Jubiläum und darüber, was er an seinem Ruhestand schätzt.
Von 1993 bis 2012 haben Sie am Sternstunden-Tag die Sternstunden-Gala bzw. in der Spendenzentrale moderiert. Gibt es einen Moment, der für Sie besonders war?
Jedes Jahr war besonders. Der Sternstunden-Tag hat mich immer berührt, weil es einem bewusst macht, wie schön es ist, dass man gesund ist und gesunde Kinder hat. Die Menschen geben aus vollem Herzen, auch wenn sie keinen vollen Geldbeutel haben. Ganz besonders in Erinnerung habe ich die erste Sendung: Wir wussten damals nicht, wo es hin geht. Es war der Start.
Das Bedürfnis der Menschen, etwas Gutes zu tun, hat bei Sternstunden einen guten Kanal gefunden. Meine Mutter und ihre Bekannte haben vor Weihnachten stets das Bedürfnis zu spenden und sie spenden für Sternstunden. Das tut den Menschen gut und sie wissen, das Geld ist hier gut aufgehoben; das ist so ein Grundgefühl.
Für die Einrichtungen, die von Sternstunden gefördert werden, ist das ein Riesengeschenk.
Wir sind daher froh, dass es solche Initiativen gibt. Sternstunden ist ein Denkanstoß und nimmt eine Vorreiterrolle ein. Diese enorme Spendenleistung und Hilfsbereitschaft, diese gesellschaftliche Aufgabe, die positiv befeuert wird, das ist ganz wunderbar – wenn Kinder z.B. für Kinder basteln.
Sternstunden ist eine richtige Bewegung, nicht nur eine Aktion. Es ist auch sehr schön, dass ins Kleine reingeschaut wird, in die Vereine usw. Ich bin ein großer Fan von Sternstunden.
Was hat sich in der Zeit von 1993 bis 2012 verändert bei der Gala und bei Sternstunden?
1993 in Unterföhring, das war mit Renate Herzberg, da war zwischen den Studios ein Weihnachtsmarkt aufgebaut. Das war eine handgestrickte Sendung, sehr kleinteilig und regional.
Heute ist die Gala eine große, vielbeachtete Spendensendung, eine hoch professionelle Fernsehsendung als Krönung des Sternstunden-Tages.
Thomas Jansing hatte damals das Vorbild von Licht ins Dunkel vom ORF. Alle späteren Galas – im ZDF, bei RTL, bei ProSieben – haben sich an der Sternstunden-Gala orientiert. Die Sternstunden-Gala war im deutschen Fernsehen die erste Sendung ihrer Art. Der BR war damals im deutschen Fernsehen ein absoluter Vorreiter, das war bahnbrechend.
Und Sternstunden hat Auswirkungen auf die Gesellschaft: Sternstunden hat einen hohen Bekanntheitsgrad, jeder hat schon mal was gemacht, kennt die Aktionen und die Köpfe.
Welches Sternstunden-Projekt, das Sie besucht haben, hat den stärksten Eindruck bei Ihnen hinterlassen und warum?
In den 90er Jahren, war ich für eine Reportage in Ruanda, bei einem Projekt des Salesianerpaters Hermann Schulz. Für das von ihm ins Leben gerufene Waisendorf hat er einen Förderkreis in Kronach, Oberfranken.
Pater Hermann lebt und arbeitet seit rund 40 Jahren in Ruanda. Das Dorf bietet verwaisten und verstoßenen Kindern ein neues Zuhause, eine Schul- und Berufsausbildung – und damit neue Zukunftschancen. Meine Frau, mein Schwiegervater und ich haben dort auch Patenkinder gehabt, bis diese 18 Jahre alt waren.
Ein anderes Projekt hat mich ebenfalls sehr beeindruckt, ein Projekt im Allgäu, ein Wohnheim für schwerstbehinderte Kinder. Die Kinder dort waren sehr, sehr krank, mit schwersten körperlichen und geistigen Einschränkungen. Ein oder zwei Jahre später bekam ich von der Mutter eines Kinder die Nachricht, dass ihre Tochter verstorben war. Das Mädchen konnte nichts selbst tun, es lag immer. Es gab ein Klangbett, das hat das Mädchen genossen.
Für alle verstorbenen Kinder gab es in der Einrichtung eine Stange mit einer Fahne – eine Art Friedhof, zur Erinnerung.
Sternstunden feiert dieses Jahr 30-jähriges Jubiläum. Möchten Sie gratulieren? Was wünschen Sie Sternstunden für die Zukunft?
Ich wünsche Sternstunden, dass es weitergeht, nicht aufhört und weiterhin diese Verbreitung hat.
Nachdem ich die Gala nicht mehr moderiert habe, habe ich in der Spendenzentrale gearbeitet. Mit Menschen zu telefonieren, die 10, 20 oder 50 Euro geben, ist immer schön, unterhaltsam und nett. Das wünsche ich Sternstunden, dass dieses Gefühl, diese Stimmung und Bewegung für Sternstunden weitergehen. Wir steuern gesellschaftlich auf eine schwierige Zeit zu, und ich hoffe nicht, dass die Menschen bei Sternstunden sparen, weil das Geld knapp ist.
Der Sternstunden-Claim lautet „Wir helfen Kindern“ Sie haben zwei Kinder im Alter von 10 und 15 Jahren. Welche Sternstunden-Projekte sind für Sie die Wichtigsten? Gibt es Themen, die fehlen bzw. wo noch mehr gefördert werden sollte?
In erster Linie sollte Kindern geholfen werden, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind aufgrund von körperlicher, geistiger oder sozialer Benachteiligung.
Viele Viertklässler können nicht mehr oder schlecht lesen, weil sich das Leistungsniveau an den schlechteren Kindern orientiert. Hier braucht es mehr Unterstützung an Förderschulen, damit die Kinder einen Platz finden. Das Niveau sinkt, das ist eine falsche Entwicklung. In Bildung sollte mehr investiert werden.
An der Grundschule meiner Kinder gibt es den Verein Pfiffikus, der Hausaufgaben- und Lernhilfe für Kinder mit Migrationshintergrund bietet. Er hilft diesen Kindern, die schon bei uns leben, damit sie die deutsche Sprache besser beherrschen. Der Verein betreut pro Jahr rund 60 Kinder, die unter Aufsicht Hausaufgaben machen und er kämpft wirklich um jeden Euro, um weiter zu existieren. Viele Ehrenamtliche sind dort engagiert.
Am Freitag, 31. März 2023 um 18.00 Uhr moderierten Sie zum letzten Mal die Abendschau im BR-Fernsehen. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Es war großartig. Die Redaktion hat mich so liebenswert und emotional verabschiedet. Mehr an Wertschätzung und Anerkennung hätte ich mir nicht wünschen können. Ich bekomme feuchte Augen, wenn ich daran denke.
Ich hatte bereits eineinhalb Jahre vorher meinen Abschied bei BAYERN1, das war genauso schön und hochemotional!
Nach 40 Jahren haben Sie sich vom BR verabschiedet und sind seit Kurzem im Ruhestand. Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich muss nicht mehr müssen. Ich muss in der Arbeit nicht mehr liefern und leisten müssen, und es ist ein Segen. Ich bin 66 Jahre alt. Immer war ich stets freundlich, positiv, zuversichtlich, optimistisch – das ist schon auch anstrengend. Ich habe die Coronazeit noch voll mitgemacht mit dieser weit verbreiteten Ratlosigkeit: Ich sollte mich damals nicht hoffnungslos zeigen, sondern den Menschen Zuversicht und Optimismus vermitteln. Ich war jeden Vormittag im Radio oder abends im Fernsehen. Mein Job war es dann, zu vermitteln, dass die Hörer oder Zuschauer nun Feierabend haben.
Nun habe mehr Zeit für meine Familie, mehr Ruhe und Nerven.
Meine Frau wird oft gefragt: „Wie ist das denn, wenn dein Mann jetzt ständig zuhause ist?“ Und sie entgegnet dann: „Es ist herrlich, er nimmt mir so viel ab.“ Ich bin nun Hausmann. Mehr Achtsamkeit findet jeden Tag ab 8 Uhr statt, wenn alle aus dem Haus sind. Dann kann ich sitzen bleiben, Kaffee machen und Radio hören. Ich bin nach wie vor ein absoluter Radio-Fan, das genieße ich über die Maßen.
Meldung erstellt am: 06. Juli 2023