Bernhard Sokol macht sich Gedanken über Erziehung
Jeden Monat schreiben Projektträger zu einem bestimmten Stichwort. Im Februar macht sich Pfarrer Dr. Bernhard Sokol, Vorsitzender der Evangelischen Waisenhausstiftung und Klauckehaus Augsburg, Gedanken über Erziehung und ein Zuhause auf Zeit.
Leben in spannenden Zeiten
Denke ich an die Kinder und Jugendlichen unserer Jugendhilfeeinrichtung (Stiftung Evangelisches Waisenhaus und Klauckehaus Augsburg 1572), dann haben wir ganzjährig, auch ohne jeden äußeren Anlass, immer reichlich Herausforderungen zu bewältigen. „Hilfen zur Erziehung“ zu leisten, das ist unsere elementare Aufgabe. Unsere Kinder und Jugendlichen kommen zumeist aus Familien, die ein Zuhausebleiben auf kurze oder längere Zeit unmöglich machen.
So ist es seit dem Jahr 1572 unsere Aufgabe, den uns anvertrauten Menschen eine neue Heimat auf Zeit zu ermöglichen, in welcher sie in einem geschützten und begleiteten Umfeld leben können. Freilich wollen praktisch alle Kinder wieder zu ihren Eltern und soweit es möglich ist, versuchen wir alles dafür zu tun, dass dies auch möglich wird.
Ursprünglich diente unsere Einrichtung dazu, jungen Menschen ohne Eltern - Waisenkindern - einen Ort der Sicherheit zu geben, ihnen ein Leben in Frieden sowie einen Schul-, Berufs- oder Studienabschluss zu ermöglichen und sie dann eigenständig ihren Platz in der Gesellschaft finden zu lassen. Dieser Aufgabe kommen wir seit nunmehr 450 Jahren nach. Heute finden sich zudem viele junge Menschen, die in Krippe, Kindergarten und Hort einen Tagesplatz finden – und dann kamen in den letzten Jahren immer mehr Flüchtlingskinder und Jugendliche aus vielen Krisenregionen der Erde dazu.
Corona und die vielen Konflikte und Kriege haben in den letzten Jahren unsere Kinder, Jugendlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz schön rangenommen. Normalität sieht wohl anders aus. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass dies eben doch das reale Leben ist, dem wir alle ausgesetzt sind. Tag für Tag.
Entscheidend ist, die uns geschenkte Zeit sinnvoll miteinander zu leben. Wo wir uns gegenseitig helfen, einander zuhören und Gemeinschaft immer wieder neu ausprobieren, da lassen sich alle Herausforderungen und Probleme ganz gut bewältigen. Freilich sehen wir auch, dass in der Gesellschaft viele Selbstverständlichkeiten offensichtlich mehr und mehr fragwürdig werden. Die Probleme des gesellschaftlichen Miteinanders spiegeln sich freilich auch bei uns in den Einrichtungen und Gruppen. Wie sollte es auch anders sein! Für mich zeigt sich jeden Tag, dass es wichtig ist, an den Menschen dran zubleiben, Energie und Zeit zu investieren. Erziehung ist eben ein Vorgang, der Energie und Arbeit gleichermaßen bedeutet. Vorbild und anderen ein Begleiter sein – weniger ist eben nicht möglich.
Zu wissen, dass man diese Arbeit nicht alleine macht, sondern viele da sind, die an ein gutes Miteinander glauben und sich dafür engagieren, das macht Mut und mir gibt es immer wieder Kraft, das Ziel einer lebensfrohen und friedlichen Gesellschaft im Blick zu halten. Jeden Tag mindestens eine Sternstunde zu leben, das ist mir wichtig. Danke an Sternstunden, dass wir dabei so viel Begleitung und Unterstützung erfahren dürfen.
Meldung erstellt am: 13. Februar 2023