Wolfgang Döbrich macht sich Gedanken über den fernen Nächsten
Jeden Monat schreiben Projektträger zu einem bestimmten Stichwort. Im Dezember macht sich Wolfgang Döbrich, Vorstand der Annette und Wolfgang Döbrich-Stiftung, Gedanken über den fernen Nächsten.
Die Geschichte vom barmherzigen Samariter aus dem Lukasevangelium hat die vom Christentum geprägte Welt tief beeinflusst. Ein Priester, ein Tempeldiener – Menschen also, die das Gebot der Nächstenliebe kennen – gehen an dem unter die Räuber Gefallenen vorbei. Ein Fremder aus Samaria aber geht zu ihm hin, verbindet seine Wunden, bringt ihn in eine Herberge und pflegt ihn. „Wer von diesen dreien ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen ist?“ fragt Jesus. Diese Frage hat viele Menschen umgetrieben. Wem kann ich zum Nächsten werden? Aus persönlicher Betroffenheit sind große Werke der Nächstenliebe entstanden. Meistens ging es dabei um die Not im unmittelbaren Lebensumkreis. Diakonie, Caritas und Rotes Kreuz haben ihre Wurzeln in den sozialen Problemen und militärischen Konflikten im Europa des 19. Jahrhunderts.
Der ferne Nächste – warum wir aus Deutschland in Zentralamerika helfen
Heute leben wir in einem weltweiten Kontext. Der Klimawechsel betrifft alle Menschen auf dieser Welt. Ungerechte Verhältnisse und fehlende Perspektiven führen zu weltweiten Migrationen. Kriege auch in fernen Ländern unterbrechen Wirtschaftskreisläufe und behindern Produktion und Konsum. Wir spüren alle die Auswirkungen globaler Entwicklungen am eigenen Leib. Aber nehmen wir auch weltweites Elend wahr und lassen uns davon bewegen? Oft fehlt die persönliche Herausforderung und Betroffenheit, die direkte Begegnung mit dem Leid, die den Samariter zum aktiven barmherzigen Handeln gebracht hat.
Aber mittlerweile gibt es genug Menschen, die die Not in anderen Ländern unmittelbar erlebt haben. Flüchtlinge aus allen Teilen der Welt bringen ihre Erfahrungen in unser Land und berichten. So gibt es viele Kontaktpersonen, die ihre Betroffenheit weitergeben. Auch führen die Medien zu intensiven Eindrücken aus den anderen Ländern der Erde. Nun gilt es, ein globales Bewusstsein zu entwickeln, das Not und Elend in aller Welt wahrnimmt und darauf reagiert.
Dabei sind wir nicht allein. Viele Einrichtungen geben Anstöße zum Nachdenken und Handeln wie die Weltläden, die sich allerorts etabliert haben. Hier finden wir Menschen, die persönlich berichten können.
Um ganz konkret zu werden: Ich habe die Not junger Menschen in vielen Begegnungen wahrgenommen, die ich bei unseren Partnerkirchen in Lateinamerika machen konnte. Immer waren junge Menschen präsent. Wenn ich sie fragte, welche Pläne sie in ihrem Leben verfolgen, winkten sie traurig ab. Ihre Eltern haben kein Geld, weiterführende Schulen oder Ausbildungen zu finanzieren. Das Schulwesen ist privatisiert und zum Geschäft geworden. So bleiben viele nach einer notdürftigen Grundschulausbildung auf der Strecke. Aber: nur der Weg über die Schulbank führt aus der Armut. So entstand unsere Stiftung zur Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in Zentralamerika. In diesem Jahr können wir mithilfe von Sternstunden 23 weiteren jungen Menschen zu einer weiterführenden Bildung verhelfen.
Wir sehen uns dabei in einem Verbund mit anderen Initiativen, die Not lindern wollen. Wichtig ist, dass wir uns von Berichten und Informationen zu barmherzigem Handeln bewegen lassen. Im Zeitalter der Globalisierung kommt nicht nur der räumlich nahe, sondern auch der ferne Nächste in den Blick.
Feliz Navidad!
Meldung erstellt am: 22. Dezember 2022